Es war einmal...
...die leidige Gechichte mit den Konfektionsgrößen und dem passenden Schnitt. Kennt ihr das auch? Man braucht ein bestimmtes Kleidungsstück und geht in unendlich viele Geschäfte, probiert unendlich viele Sachen an, um am Ende festzustellen, dass gar nichts passt. Besonders bei Blazern und Blusen ist es besonders schlimm. Da sind die Ärmel zu kurz oder die Schultern zu schmal, die Taille sitzt auf der falschen Höhe oder der Stoff spannt und steht zwischen den Knöpfen weit auseinander. Und sowas sieht immer dämlich aus, dabei sollen doch gerade Blusen und Blazer wirklich richtig sitzen.Aus genau diesem Grund war ich schon jahrelang auf der Suche nach einem Blazer. Ich habe in der Zeit bestimmt 50 verschiedene anprobiert, war aber nie zufrieden. Das Schöne am Nähen ist aber, dass man ein sehr gutes Gefühl für den eigenen Körper entwickelt. Und das bedeutet nicht nur, dass ich sehr genau meine Maße im Kopf habe, sondern vor allem, dass man Konfektionsgrößen mit einem gewissen Abstand betrachten kann. Nur sehr wenige Menschen haben nämlich die Maße, auf die die Kleidungsstücke von Bekleidungsmarken zugeschnitten sind. Und dabei spreche ich nicht von den berüchtigten 90-60-90, sondern davon, dass jeder Körper individuell ist. Ich habe eine durchschnittliche Körpergröße und ein relativ durchschnittliches Gewicht, aber mir passen dennoch genug Kleidungsstücke nicht. Beispielsweise sitzt meine Taille vergleichsweise hoch, ist aber im Vergleich zu meiner Hüfte überdurchschnittlich schmal, meine Schultern sind vergleichsweise breit, und laut meiner Erfahrung mit Stiefelherstellern habe ich offensichtlich extrem dicke Unterschenkel. Meine Größe schwankt je nach Hersteller zwischen 38 und 42. So what. Das ist nichts, was mir graue Haare wachsen lässt. Es hat aber dazu geführt, dass alle Blazer, die ich in den letzten Jahren anprobiert habe, mehr als bescheiden an mir aussahen.
Und dann habe ich ja auch noch Extrawünsche. Der Blazer sollte eine dunkle Farbe haben, am besten schwarz oder dunkles grau, vielleicht noch dunkelblau. Er sollte nicht zu viel Schnickschnack haben, aber auch nicht nach einem einfachen Anzug aussehen. Er sollte möglichst gut zu allen möglichen Kleidungsstücken und Stilen kombinierbar sein. Schließlich wollte ich, wenn ich denn endlich mal einen Blazer finde, ihn auch zu unterschiedlichen Gelegenheiten tragen können. Schließlich war es ja unwahrscheinlich, dass ich noch einen zweiten Blazer in einem anderen Stil finde ;)
Langer Rede, kurzer Sinn: Vor bestimmt 2 Jahren habe ich beschlossen, dass ich mir den Blazer einfach nähen muss. Ich habe sehr lange gezögert, denn soweit sind meine Nähkünste noch nicht, dass ich so etwas wirklich maßgeschneidert hinbekomme. Ich habe es trotzdem gewagt. Und nur ein wenig abgeändert. Zwei Probeteile und viel Gefluche später, war es dann so weit. Ich habe mich für den Schnitt Nr. 105A aus der Dezember-Burda von 2013 entschieden. Mir hat es gefallen, dass der Schnitt zwar sehr schlicht, aber doch ein wenig außergewöhnlich ist. Das Revers und der Kragen bestehen nur aus einem Stück und sind gerade. Also genau das, was ich wollte: Nicht viel Schnickschnack.
Da die Front egentlich aus einem einzigen Stück mit einem Abnäher besteht, habe ich dort nicht viel geändert. Vor allem aber ist mein endgültiger Schnitt eine Kombination auf insgesamt 8 Größen geworden. Das hat ein wenig gedauert, es wirklich stimmig abzustimmen, aber letzten Endes sitzt vor allem das Rückenteil sehr perfekt. Die Ärmel habe ich - wie immer bei Burda-Schnitten - noch verlängert. Fertig geworden ist der Blazer im letzten Jahr. Vor dem Abschlusschaos.
Und so sieht das Ergebnis aus: (Einmal megacool Posen zum Mitnehmen, bitte!)
Hier kommen noch ein paar Details. Besonders stolz bin ich auf das Innenschön, denn ich habe in den Übergang von Ober- zu Futterstoff noch eine flache Paspel aus Schrägband eingearbeitet. Der Blazer ist von außen so tough, da verträgt er von innen noch ein paar Blümchen ;)
Das Futter ist ein Viskosestoff. Nach langer Beratung im Stoffladen habe ich mich für einen (halb-)synthetischen Stoff entschieden. Eigentlich mag ich diese Plastik-Futterstoffe direkt auf der Haut gar nicht. Baumwolle wäre mir da lieber. Allerdings sind Futterstoffe ja aus gutem Grund aus künstlichen Fasern, da die weniger rau sind als natürliche und deswegen nicht an dem darunter liegenden Kleidungsstück festheften (deswegen sind ja Röcke auch gerne gefüttert, sonst rutschen die nämlich immer weiter nach oben). Viskose wird jedoch (meistens) aus Holzzellstoff hergestellt und fühlt sich meiner Meinung nach recht natürlich an. Man sieht das ganz gut daran, dass das Futter nicht so unnatürlich glänzt. Für mich ist das ein guter Kompromiss.
Und jetzt kommt das große ABER. Der Schnitt sitzt nicht gut. Einerseits liegt das daran, dass ich bei Probeteil nicht genau genug war. Was ich die ganze Zeit ignoriert habe, war, dass die gesamte Front mit Bügelvlies verstärkt ist. Daher sitzt der fertige Blazer ganz anders - und leider viel schlechter - als mein letztes Probeteil. Zum anderen liegt es am Stoff. Es ist irgendein Dupiontaft, der sich zwar wundervoll anfühlt und ein wenig Struktur hat, aber sich richtig schlecht Bügeln lässt. Dadurch sind die Kanten nie akurat, sowohl der Saum als auch der Kragen stehen dadurch furchtbar ab. Und zuletzt war es auch nicht der beste Schnitt. Die Front besteht wie gesagt aus einem einzigen Schnittteil. Lediglich an der Schulter befindet sich ein Abnäher. Kombiniert mit dem Bügelvlied- und Stoffproblem ist die Vorderseite also einfach sehr unförmig. Und, was mich auch nervt: Obwohl ich die Ärmel bestimmt um 5cm verlängert habe, sind sie viel zu kurz. Daher besitzt der Blazer noch nicht einmal einen Verschluss. Am Ende war ich nämlich deprimiert und habe ihn weggelassen
Die Fotos oben lügen daher ein wenig. Da sieht der Blazer nämlich viel besser aus als in echt. Sobald man die Ärmel hochkrempelt, kann man mit der richtigen Körperhaltung den schlechten Sitz überdecken. In Wahrheit sieht der Blazer nämlich so aus:
Man sieht eindeutig, die schlechten Kanten am Revers und am Saum (und eigentlich an allen Nähten, denn flach sind sie alle nicht), die unförmige Vorderseite und die zu kurzen Ärmel. Die Frage, die sich jetzt stellt: Kann man das retten oder muss das weg? Ich werde tatsächlich versuchen, einige Nähte nocheinmal knapp neben den Nähten abzusteppen. Dadurch wird sich zumindest das lästige Kantenproblem hoffentlich lösen. Ansonsten....Ich weiß nicht, ob ich dem Vorderteil noch einen Abnäher verpassen kann, damit es ein wenig besser sitzt. Das Problem mit dem Bügelvlies werde ich nicht ändern können, schließlich kann ich das schlecht rausrupfen. Das Ärmelproblem kann ich auch nicht lösen, ist aber auch am wenigsten tragisch, denn meistens krempel ich Ärmel sowieso hoch, dann sieht man es gar nicht mehr.
Es ist so schade, denn ich habe mir viel Mühe gegeben und ich habe viel Zeit in dieses Kleidungsstück gesteckt. Und genau deshalb hatte ich den Blazer auch schon ein paar Mal an. Er ist zu schade, um ihn einfach aufzugeben. Ich werde schauen, wie es sich weiter entwickelt. Oder mein Körper verändert sich irgendwann und ich passe dann doch hinein ;) So und weil heute Mittwoch ist, verlinke ich diesen Blazer mal wieder beim Me Made Mittwoch!